Beauty-Doc Artur Worseg wird 60. Zeit, innezuhalten und übers Leben nachzudenken. Worsegs Conclusio: Jeder Mensch sollte sich mehr mit Spiritualität beschäftigen als mit seinem Aussehen. Schon als junger Arzt war Worseg ein halbes Jahr bei den Shaolin-Mönchen.
Wer, wenn nicht er, wüsste besser über Schönheitswahn, Oberflächlichkeiten und absolut falsche Erwartungshaltungen Bescheid? Die Rede ist von Artur Worseg, Österreichs bekanntestem Schönheitschirurgen, der in seinem Buch „Deine Nase kann nichts dafür“ genau davor warnt. Und meint, es sei höchste Zeit, die Notbremse zu ziehen. Auch er selbst – im Juni feiert er seinen 60. Geburtstag – arbeite nun bewusst daran, sich älter zu fühlen. Weil Altern einfach Teil unseres Lebens ist.
Selbstreflexion. Dass Schönheit über allem steht, schreibt der gebürtige Kärntner vor allem der Digitalisierung zu. Umso wichtiger sei es, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Sich sozial zu engagieren sei genauso hilfreich wie regelmäßige Ausflüge in die Natur oder spirituelle Fragen zu stellen. „Früher habe ich öfter Dienst in einem Hospiz gemacht. Wenn du dort dann rausgehst, denkst du sicher nicht mehr an deine Nase“, weiß der Beauty-Doc, der sich schon als junger Mann mit philosophischen Ansätzen auseinandersetzte. Und noch heute von seinem Aufenthalt im Kloster profitiert. Sobald er spürt, dass seine Kräfte schwinden, praktiziert er diverse Übungen und meditiert.
look: Was hat Sie gerade jetzt zu diesem Buch veranlasst?
Artur Worseg: Eine Mischung aus vielem. Ich habe aufgrund meiner religiösen Erziehung, meiner humanistischen Schulausbildung sowie meiner Kindheit auf dem Land grundsätzlich Tiefgang und hinterfrage viel. Auch meine Begeisterung für den asiatischen Kampfsport seit früher Jugend hat dazu beigetragen. Und natürlich spielt die Tatsache, dass Schönheit heutzutage für auffallend viele das Höchste ist, eine enorme Rolle.
Warum will eigentlich (fast) jeder schön bzw. makellos sein?
Weil mit Schönsein großer Erfolg und Glück assoziiert werden. Es kommen auch viele Ältere zu mir, die sagen, sie wollen nicht jünger aussehen, aber besser, um sich besser zu fühlen.
Ein intelligenter Mensch mit gesundem Selbstwertgefühl rennt doch nicht gleich zum Schönheitschirurgen …
Das stimmt, was allerdings im Umkehrschluss bedeutet, dass alle, die sich einer OP unterziehen, ein größeres Selbstwertgefühl erhoffen. Was kurzfristig auch passiert. Ein pathologisch geringes Selbstwertgefühl wird aber auch danach nicht besser. Viele glauben, wenn sie sich irgendetwas korrigieren lassen, dann wird alles wieder gut. Und mit diesen falschen Erwartungshaltungen werde ich immer häufiger konfrontiert.
Was hat sich in den vergangenen Jahrzehnten noch verändert?
Es geht nur noch um das Aussehen. Die Attraktivität eines Menschen, also seine Gesamterscheinung, wie er spricht, gestikuliert oder riecht, spielt keine Rolle mehr. Ich merke das auch bei meinem Buben Paris, der 14 ist. Ein Mitgefühl oder ein Miteinander gibt es nicht mehr, man matcht sich im Internet, wer das schönere bzw. coolere Foto hat.
Trotz bodenständiger Erziehung?
Ja, das nutzt nichts. Das ist unsere Zeit. Der äußere Schein gewinnt an Wert zulasten der inneren Werte. Anstand, Loyalität, Respekt und Vertrauen gelten nichts mehr. In unserer Generation genauso. Schauen Sie mal, wie viele Leute in unserem Alter sich digital beschäftigen und jung fühlen. Wir beschweren uns, dass das Alter keinen Platz in unserer Gesellschaft hat, aber kennen Sie einen Baby-Boomer, der sich alt fühlt? Eben. Alle sind cool, sportlich und flitzen mit E-Rollern herum. Wenn ich mich neben Paris auf das Snowboard stelle, geniert sich der Bub für mich. Und in diesen Momenten wird mir bewusst, wie alt ich bin. Daher arbeite ich jetzt daran, mich älter zu fühlen. Und die Vorteile des Alters auszuspielen: mehr Erfahrung, mehr Verantwortung, mehr Gelassenheit, mehr Autorität und von mir aus auch mehr Geld. Bisher habe ich das nicht gemacht, aber es ist der falsche Weg. Denn umgekehrt verhält es sich nämlich nicht so.
Was meinen Sie damit?
Dass sich die jüngeren Generationen nicht mit den Alten gleich fühlen, wir aber stellen uns mit ihnen auf ein Level. Dann darf man sich nicht wundern, dass das Älterwerden in unserer Gesellschaft dermaßen in die Ecke gedrängt wird.
Sie schreiben, dass jeder die Pflicht hat, sich ab einem gewissen Alter mit Spiritualität zu befassen.
Ja, denn die Beschäftigung mit etwas, das über unser Sein hinausgeht, wie etwa Fragen nach dem Sinn des Lebens, halte ich ja auch für eine geile Geschichte. Woran ich glaube? An eine Gesamtheit: Das Leben ist ein Pool, in dem sich alles abspielt. Und ich glaube an ein Weiterexistieren nach dem Tod, denn Energie verschwindet nicht, das ist ein physikalisches Gesetz.
Als Gegenmaßnahmen zum Schönheitswahn empfehlen Sie Sport, Natur und soziales Engagement.
Wenn ein Mensch frustriert ist, sucht er gern den Fehler in seinem Äußeren, aber durch Sport kannst du dir täglich ganz viele kleine Erfolgserlebnisse holen. Das hat mehr Bedeutung als ein Like bei einem Posting. Und du musst empfinden können. Mit allen Sinnen. Meinen drei Kindern versuche ich beizubringen, sich Kraft aus der Natur zu holen, indem ich ihnen Blumen zeige und erkläre. Ich erinnere mich an die ersten Schneeglöckchen im Frühling und wie sehr es mich als Bub fasziniert hat, nach dem langen Winter wieder die Natur erwachen zu sehen. Und es fasziniert mich heute noch.